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Keiner
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Gentleman Interview |
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Diverse Themen/Beiträge
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BobMarley.at /.ch /.info - Movement Of Jah People
Gentleman Interview vom
29.03.2010
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Bei seinem neuen Album
"Diversity" geht es um Vielfalt. Musik selbst kann sicherlich gut mit
Vielfalt in Verbindung gebracht werden. Aber welche anderen
Lebensbereiche gibt es noch, in denen die Vielfalt eine Rolle spielt?
Diese und andere Fragen haben wir Tilmann Otto a.k.a. Gentleman
gestellt. Geduldig und freundlich sprach er mit uns für knapp 20 Minuten
via Telefon. |
Zunächst gibt es
die Abschrift des Interviews bevor wir es demnächst als MP3
hier veröffentlichen werden. Für die
freundliche Unterstützung bedanken wir uns bei:
Universal Music Austria und Sonja! |
Vinc: |
Du beziehst dich in
deinem aktuellen Song "It No Pretty" auf die Gesellschaft und offenbar
speziell auf die Jugend. Wie kann es deiner Meinung nach zu solchen
Gewalteskalation, wie man an dem Beispiel der sogenannten
"U-Bahnhof-Schläger" gesehen hat, kommen? |
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Gentleman: |
Ich glaub wenn wir das
wüssten, dann wären wir schon einen ganzen Schritt weiter. Es sind,
glaube ich, ganz verschiedene Gründe. Natürlich gibt es die Schläger wo
man genau weiß warum manche Kids ausrasten, nämlich weil sie ein Umfeld
haben, das von einer sozialen Kälte geprägt ist. Wo Eltern vielleicht
schon resigniert haben, überfordert sind. Wenn Kinder in ihrer Familie
nichts anderes als Gewalt sehen, neigen sie oft selber dazu. Es muss
nicht immer so sein, das ist wahrscheinlich eine Erklärung. |
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Auf der anderen Seite
gibt es aber auch Leute, die ausrasten obwohl sie ein behütetes
Elternhaus haben, vielleicht auch so was wie Liebe erfahren haben und
sogar eine gewisse Bildung haben und trotzdem ausrasten. Da wird es
einfach schwierig und da sind wir als Gesellschaft gefragt. Da spielen
die Medien eine Rolle, da spielen vielleicht äußere Einflüsse wie, weiß
ich nicht, Filme oder Videospiele auch eine Rolle, sind aber nicht der
Grund aber vielleicht ein Auslöser. Aber ganz wichtig finde ich ist,
dass wir als Gesellschaft und da ist auch die Politik gefragt, einfach
Alternativen gibt. Das fängt bei Jugendzentren an, das fängt beim
Fußballplatz an - es hört sich blöd an, aber ich glaube, das macht einen
Unterschied. |
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Wenn ich mir anschaue
wie viel Steuergelder verpulvert werden und wie viel gleichzeitig an
Bildung beschnitten wird, wie viel an öffentlichen Einrichtungen
beschnitten wird, wie viel an Kultur, Musikmöglichkeiten und und und.
Und die ganzen Punkte zusammen genommen, die führen vielleicht, ich weiß
es ja selber nicht, zu einer Art Frustration, Aggression, Resignation,
die dann einfach in solchen Gewaltexzessen endet. Ich kann mir das
selber nicht erklären. Ich kann nicht verstehen wie man auf jemanden,
der auf dem Boden liegt, eintreten kann. Das passt nicht in mein
Weltbild rein, das passt nicht in meinen Kopf. Mir dreht sich einfach
die Magengrube um, wenn ich so was sehe. Aber es passiert andauernd und
nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Ich habe mir
einfach erhofft mit dem Thema oder mit dem Video auch so eine
öffentliche Diskussion auszulösen. Und das ist mir, glaube ich, auch
gelungen, wenn ich mir so die Kommentare ankucke. |
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Vinc: |
Du bist selbst Vater von zwei Kindern. Welche Elemente in der Erziehung
sind für dich bei Samuel und Tamica besonders wichtig? |
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Gentleman: |
Also für mich ist ganz
wichtig mit meinen Kindern die Zeit, die ich mit ihnen verbringe,
intensiv zu verbringen. Das heißt da zu sein, Teil zu haben am Leben
meiner Kinder, zu wissen wer die Freunde sind. Ich weiß, dass mein Sohn
vor zwei Wochen seinen Freischwimmer gemacht hat. Zu zuhören, auch wenn
man manchmal nur so tut - da zu sein. Auch die ganze Informationsflut,
die auf die Kinder so zukommt, zu filtern - zusammen mit den Kindern.
Das ist, glaube ich, eine riesen Herausforderung. Eine Herausforderung,
die unsere Eltern damals noch gar nicht so hatten. Damals gab es noch
drei Fernsehprogramme und die Familie Bülabo. Und mittlerweile alleine
durch das Internet, was da an Informationsflut auf die Kinder zukommt,
das ist einfach unglaublich. Eine gerade Linie zu verfolgen, verschieden
Wege aufzuzeigen ohne mit erhoben Zeigefinger zu sagen, "hey das ist so
und so und das musst du jetzt so und so machen". |
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Aber ich glaube in dem
Moment wo Alternativen da sind, ist auch Interesse an Gewaltsachen und
sozialer Verwahrlosung nicht da. Und das ist ganz wichtig. Also ich zum
Beispiel gehe lieber mit meinem Sohn in den Wald und bau ein Baumhaus
oder spiele mit ihm Fußball als, dass ich mir irgendwelche Filme mit ihm
angucke oder ihn vor die Spielkonsole setze. Naturverbundenheit, Reisen,
Interesse an anderen Kulturen wecken, an Literatur vielleicht, ein
Musikinstrument zu lernen. Was nicht immer schwierig ist, weil auch
gerade das Umfeld auch extrem wichtig ist. Das ist ein ganz, ganz großer
Punkt, das Umfeld. Aber auf jeden Fall als Eltern Teil zu haben am Leben
der Kinder, da zu sein. |
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Vinc: |
Das neue Album "Diversity" ist bereits dein fünftes Studioalbum. Deine
Entwicklung aus künstlerischer Sicht ist dabei deutlich zu erkennen. Wie
würdest du deine persönliche Entwicklung aufgrund deiner Karriere seit
"Tabula Rasa" bis "Diversity" rückblickend betrachten. |
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Gentleman: |
Das ist, glaube ich,
gar nicht so einfach, das in ein paar Sätzen zu sagen. Man entwickelt
sich ja dauernd weiter, man verändert sich auch. Trotzdem, glaube ich,
gibt es diesen roten Faden, das ist ganz klar, der Roots-Reggae.
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Roots-Reggae ist die
erste Liebe gewesen und wird wahrscheinlich auch die letzte sein. Aber
ich bin jemand, der auch immer wieder offen für andere Sachen und andere
musikalische Stile ist. Und arbeite mit Leuten zusammen mit denen ich
vorher nicht zusammen gearbeitet habe. Ich treffe auch immer wieder neue
Leute und bin jemand der extrem viel reist. Durch das Reisen entstehen
einfach auch Ideen, die vorher nicht entstanden sind. Und grade beim
fünften Album - bei jedem Album hat man einen höheren Anspruch an sich
selbst. Es wird auch irgendwie nicht leichter Musik zu machen. Aber man
hat irgendwo innerlich mehr Gelassenheit und weiß eher wie man ans Ziel
kommt. |
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Und ich glaube ganz
wichtig ist, was ich auch erst jetzt gelernt habe, dass man nie aufhört
zu lernen. Dass man immer seinen Horizont erweitert und dass man lernt
so einen gewissen Moment der Kreativität zu greifen und nicht zu sagen
das kommt nächste Woche schon wieder. Sondern wenn es vier Uhr nachts
ist und man hat eine Idee muss man dann in das Studio gehen um die Idee
zu manifestieren. Ich habe jetzt endlich mein eigenes Studio bei mir zu
Hause fertig gestellt. Das ist auch ein wichtiger Punkt, dass man dann
Musik machen kann, wenn man es spürt. Ganz wichtig sind auch die
Produzenten mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Leute zu finden, die
einen inspirieren, die einen fördern. Und diese ganzen Punkte zusammen
geben, glaube ich, immer eine Weiterentwicklung. |
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Vinc: |
Diversity, also die Vielfalt - was bedeutet sie für dich und wo ist sie
zu finden? |
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Gentleman: |
Das ist ein breites
Spektrum. Ich bin jemand, der zwischen vielen Kulturen, gerade zwischen
zwei Kulturen was Jamaica - Deutschland angeht, hin und her pendelt. Ich
sehe einfach als
reisender Mensch, als Kosmopolit, wir sind alle verschieden. Wir haben
verschiedene Ansichten, wir haben verschiedene Religionen, wir haben
verschiedene Einstellungen und trotzdem gibt es gemeinsame Nenner. Und
das ist auch so meine Hoffnung. Das wir natürlich Differenzen haben, was
auch gut ist. Gleichzeitig sollten wir auch an unseren Gemeinsamkeiten
festhalten. Aber auch eine Vielfalt im negativen Sinne, die vielleicht
im Moment verloren geht, was die Erde angeht, was die Natur angeht, was
eine Artenvielfalt angeht. Das wir irgendwann unseren Söhnen mal sagen "hey
das war mal der sibirische Tiger". Eine Vielfalt auch in kultureller
Hinsicht. Das man früher genau erkannt hat, jetzt bin ich in der Stadt,
jetzt bin ich in der Stadt. Mittlerweile schauen alle Städte gleich aus.
In Kingston gibt es auch den ersten H&M. Das sind alles Sachen, die mich
ein bisschen traurig machen. Eine Vielfalt eben auch auf musikalischer
Ebene. Und in der Vielfalt eine Chance zu sehen und gleichzeitig eine
Gefahr zu sehen. Also es hat ein sehr breites Spektrum. |
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Vinc: |
Was machst du nun anders um zu vermeiden, dass deine Arbeit dich an die
Grenzen der Belastbarkeit führen, wie es dir nach dem "Confidence" Album
erging? |
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Gentleman: |
Also ich glaube man
kommt immer wieder an so eine Grenze. Aber es geht darum so eine
Situation nicht zu bewerten. Also im Grunde ist die Situation nicht das
schlimme, sondern nur die Bewertung der Situation. Und das ist das was
man lernen kann oder was ich im Moment lerne.Ganz wichtig ist sicherlich
auch sich diesen Punkt zu setzen, jetzt ist Ruhe, jetzt ist Schluss. Und
das habe ich vielleicht vorher nicht so gemacht zu sagen ich bin jetzt
in der Promotionzeit und weiß jetzt ist es einfach auch viel. Das Album
ist jetzt auch grade draußen. Dann geht's in den Proberaum mit der Band.
Musik machen ist für mich jetzt nicht unbedingt so ein großer Druck,
sondern das ist Spaß. In dem Moment wo auch Spaß da ist, wo auch Freude
da ist, ist auch Leichtigkeit da. |
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Es gab, ich will jetzt
kein Album nennen, auch ein Album was ich gemacht habe, weil ich gedacht
habe ich muss jetzt mal wieder ein Album machen. Dieses Mal ist es
wirklich so, dass ich ein Album mache weil ich eins machen will. Und so
werde ich es in Zukunft auch machen und wenn es hundert Jahre dauert.
Vielleicht dauert es deswegen auch drei Jahre. Weil ich eben mit mir im
Einklang sein muss bevor ich ein Album veröffentliche. Weil ich mich
dafür bereit fühlen muss. |
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Und einfach zu wissen,
okay ich spiele vielleicht nicht mehr 5 - 6 Konzerte auf einer Tour
hintereinander, sondern 2 - 3 um auch die Energie zu haben die es
erfordert. Sich immer wieder einen Punkt zu setzen, zu sagen okay, bis
dahin. Jetzt gibt es die Promotion, dann gibt es die Probe, dann gibt es
Tour, dann gibt es Festivals und danach ist Sense. Danach mache ich vier
Monate gar nichts. Und das auch beizubehalten und nicht das Gefühl zu
haben immer weiter machen zu müssen. Das sind so viel verschiedene
Punkte die man mit der Zeit, hoffe ich mal, begreift. |
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Vinc: |
Du bist in diesem Jahr nicht mehr mit der "Far-East-Band" sondern mit
der Band "Evolution" unterwegs. Wie kam es zu dieser Veränderung? |
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Gentelman: |
Im Grunde ist es
dieselbe Band. Es ist ein neuer Name. Far-East-Band gibt es nach wie
vor. Die spielen im Moment auch fast in der gleichen Besetzung. Die
haben musikalisch ein paar Sachen umgestellt, weil eben auch das Album
musikalisch anders klingt als die Vorgängeralben. Deswegen brauche ich
jetzt anstelle von zwei Gitarren zwei Keyboarder weil man einfach mehr
Sounds dadurch abrufen kann. Es gibt einen neuen Schlagzeuger. Der alte
Schlagzeuger macht im Moment andere Projekte, aber vom Kern ist es
dieselbe Band. |
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Vinc: |
Auch vor dem Hintergrund, dass dein Vater Pastor ist, verfolgst du die
derzeit aufkommenden Missbrauchsskandale aus der Kirche an Kindern und
Jugendlichen möglicherweise mit besonderem Interesse. Was ist deiner
Meinung nach die Ursache dafür? |
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Gentleman: |
Ich bin ja eh kein Fan
der Kirche, muss ich mal sagen. Die Kirche von meinem Vater nennt sich "SELK",
also "Selbstständige Evangelisch-Lutherische Kirche". Da gibt es eben
kein Zölibat und ich glaube, das ist ein ganz großer Grund. Es gibt
bestimmt auch Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche, aber nicht
so viele oder nicht in der Form wie das in der katholischen Kirche der
Fall ist. Also in erster Linie bin ich kein Fan von der Kirche und ganz
sicher nicht vom Zölibat. Und ich glaub ein großer Grund ist eine
unterdrückte Sexualität, die in einer Krankheit endet. Und das ist
nichts anderes als krank. Missbrauch ist für mich eine krasse Krankheit.
Wenn jemand irgendwelche Messdiener missbraucht, sind das irgendwelche
verkappten Typen. |
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Und diese
Scheinheiligkeit, die in der Kirche ist, so dass auch noch niemals
irgendwann mal ein Pastor oder Pfarrer von der Kanzel herunter
festgenommen worden ist. Das ist immer noch nicht passiert. Dass Leute
erst nach 30 Jahren den Mund aufmachen, wenn dann irgendwas verjährt ist
- das macht mich rasend, das macht mich wütend. Und dass keiner mehr in
die Kinder reinguckt oder wenn die erwachsen sind, was die für ein Leben
gelebt haben. Dass es immer nur die Sprache von den Leuten ist, oder das
Wort, entschuldigen. Ich glaube man kann so was gar nicht entschuldigen.
Eine Schuld weg zu nehmen, das ist einfach extrem pervers. |
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Ich bin aber froh,
dass mittlerweile eine Diskussion stattfindet. Das macht vielleicht
schon einen Unterschied. Aber unterdrückte Sexualität ist sicherlich ein
Punkt und dieses ganze Zölibats-Leben hinter verschlossenen Türen. Das
nicht darüber sprechen, dass nur im Beichtstuhl irgendwas an die
Tagesordnung kommt. Das sind vielleicht Sachen, die dazu führen, aber
ich weiß es selber nicht. Ich kann es mir nicht erklären. Ich verstehe
nicht wie ein Mensch einen anderen Menschen sexuell missbrauchen kann.
Das geht nicht in meinen Kopf rein. |
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Vinc: |
Besonders von den schwarzen Reggaekünstlern erhielt Barack Obama viel
Vorschusslorbeeren. Inzwischen hat sich mehr oder weniger viel in die
richtige Richtung verändert. Oder ist Obama auch nicht der US-Präsident,
den man sich gewünscht hätte? |
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Gentleman: |
Ich glaube mit Obama
ist ein Präsident im Office, der einer der Intelligenteren ist, wenn ich
mir die Vorgänger angucke. Ich äußere mich eigentlich nie direkt zu
Politikern, wobei ich schon glaube, dass er ein Guter ist, dass er ein
gutes Herz hat und eine gute Intension hat. Dass er es einfach gut
meint. Aber er steht einer Lobby gegenüber oder im Weißen Haus arbeitet
mit Leuten zusammen, die alles andere als ein gutes Herz haben. Das
fängt bei der ganzen Kriegswaffenlobby an. Das ganze amerikanische Volk,
das teilweise immer noch Seiten vom wilden Westen hat was so die
Waffenlegalität angeht. Diese Verrücktheit nach Waffen, die überall
erhältlich sind. |
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Das muss man schon
auch bewundernd anerkennen, dass er das mit der Gesundheitsreform
durchgesetzt hat, wofür Jahrzehnte lang gekämpft wurde. Und dass er der
erste ist, der das geschafft und gleichzeitig das Land so ein bisschen
gespalten hat. Mir macht das nicht Angst, aber ich sehe, okay, selbst
Politiker sind nur Marionetten irgendwo und stehen einer Lobby und
Banken gegenüber und eigentlich hat jemand anders das Sagen.
Irgendwelche Männer im Hintergrund, die einen Einfluss haben,
wahrscheinlich auch auf Obama. |
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Und so ein Amt
jemanden resignieren lässt oder in eine Richtung gehen lässt, die
vielleicht gar nicht so geplant war. Ich beobachte das bei vielen
Politikern, die motiviert anfangen und sind nach ein paar Jahren
verbraucht und gar nicht mehr so idealistisch wie sie es einmal waren.
Und das ist wahrscheinlich bei Obama irgendwann auch so. |
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Vinc: |
Herzlichen Dank für das Interview! |
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